Verlagerung der elektronischen Buchführung und von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland

Unterscheidung zwischen Verlagerung in EU-Staaten oder in Drittstaaten

Unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht der Gesetzgeber seit längerem die Verlagerung der elektronischen Buchführung bzw. von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland. Seit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020 zum 29. Dezember 2020 ist dabei aber eine Unterscheidung nötig.

Eine Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist nach Paragraf 146 Absatz 2a der Abgabenordnung nunmehr ohne expliziten Antrag möglich. Die Verpflichtung, den inländischen Finanzbehörden den Standort des Datenverarbeitungssystems im Ausland anzugeben und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitzuteilen, ist entfallen. Es ist aber vom Unternehmen sicherzustellen, dass der Datenzugriff im Rahmen einer Betriebsprüfung weiterhin in vollem Umfang möglich bleibt.

Für eine Verlagerung in einen Drittstaat ist nach Paragrafen 146 Absatz 2b der Abgabenordnung weiterhin die Bewilligung eines entsprechenden Antrags durch das Finanzamt nötig. Voraussetzung ist auch hier, dass ein Datenzugriff in vollem Umfang möglich ist. Daneben sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen.

Die Bewilligung kann für die gesamte Verlagerung der Buchführung erteilt werden oder aber auch auf bestimmte Teile eingeschränkt werden.

Wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nicht vorliegen, ist die Verlagerung der Buchführung ins Ausland abzulehnen. Bei der Ablehnung der Verlagerung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der mit einem Rechtsbehelf angefochten werden kann.

Wichtig: Nur die elektronischen Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon dürfen ins Ausland transferiert werden. Papierunterlagen müssen im Inland aufbewahrt werden.

Tipp: Erfolgt im Zusammenhang mit einer genehmigten Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland eine ersetzende bildliche Erfassung (werden die Papierbelege also gescannt), wird es nicht beanstandet, wenn die papierenen Ursprungsbelege zu diesem Zweck an den Ort der elektronischen Buchführung verbracht werden. Die bildliche Erfassung hat zeitnah zur Verbringung der Papierbelege ins Ausland zu erfolgen.

Voraussetzungen bei der Verlagerung in einen Drittstaat

Der schriftliche oder elektronische Antrag muss eine detaillierte Beschreibung der für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen enthalten. Dazu gehört auch die Beschreibung des geplanten Verfahrens.

Aus dem Antrag muss dem Finanzamt eine Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Paragrafen 146 Absatz 2b der Abgabenordnung möglich sein. Dort sind vier Voraussetzungen geregelt, die erfüllt sein müssen:

  1. Der Steuerpflichtige muss der zuständigen Finanzbehörde den Standort des Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilen. Änderungen sind unverzüglich anzuzeigen.
  2. Der Steuerpflichtige muss in der Vergangenheit seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sein.
  3. Der Datenzugriff muss in vollem Umfang möglich sein. Dies gilt für alle drei Zugriffsarten (unmittelbarer Zugriff, mittelbarer Zugriff und Datenträgerüberlassung).
  4. Die Besteuerung darf durch die Verlagerung nicht beeinträchtigt werden.

Die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (die so genannten GoBD) sind auch nach der Verlagerung zu erfüllen.

Tipp: Das Finanzamt darf vom Steuerpflichtigen nicht die Einrichtung eines so genannten Spiegelservers im Inland verlangen.

Zuständiges Finanzamt

Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung. Zuständig ist damit regelmäßig der Veranlagungsbezirk des für den Antragsteller örtlich zuständigen Finanzamts. An diese Stelle ist der schriftliche Antrag zu richten.

Für jeden Steuerpflichtigen ist ein gesonderter Antrag erforderlich. Dies gilt auch für Konzerne.

Das Finanzamt kann nur für seinen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich eine Bewilligung nach erteilen. Daher gelten insbesondere von der Zollverwaltung erteilte Bewilligungen nicht für die Steuerverwaltung und umgekehrt. Der Antragsteller ist auf die Reichweite der Bewilligung hinzuweisen.

Bei Konzernen ist vor einer abschließenden Entscheidung das Finanzamt zu beteiligen, das für die Besteuerung des herrschenden oder einheitlich leitenden Unternehmens zuständig ist. Über die jeweilige Bewilligung entscheidet aber das örtlich zuständige Finanzamt.

Tipp: Die Verlagerung von nur Teilen der Buchführung ist gesetzlich zulässig. Sollen weitere Teile der Buchführung ins Ausland verlagert werden, ist hierfür ein gesonderter Antrag auf Bewilligung erforderlich.

Keine Beeinträchtigung der Besteuerung

Um eine effiziente Steuerkontrolle zu gewährleisten, darf die Verlagerung in ein Drittland nur bei solchen Steuerpflichtigen bewilligt werden, die in der Vergangenheit ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Weiterhin ist zu prüfen, ob durch die Verlagerung die Besteuerung zukünftig beeinträchtigt wird.

Zu den steuerlichen Pflichten gehören die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren, die einschlägigen Ordnungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der Abgabenordnung sowie die Auskunfts- und Vorlagepflichten. Einschließlich der Gewährung des Datenzugriffs im Rahmen einer Außenprüfung, einer Kassen- Nachschau oder einer Umsatzsteuer-Nachschau. Die Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung umfasst also die Erfüllung sämtlicher steuerlichen Pflichten, nicht nur die Erfüllung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten.

Bei der Prüfung, ob die Besteuerung beeinträchtigt ist, können nach der aktuellen Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern zum Beispiel folgende Umstände von Bedeutung sein:

  • Nicht ordnungsgemäßes Abgabeverhalten des Steuerpflichtigen
  • Einleitung von Steuerstrafverfahren oder Steuerordnungswidrigkeitenverfahren der Bußgeld- und Strafsachenstelle oder Steuerfahndung in steuerlichen Angelegenheiten (dieses Kriterium ist allerdings im Hinblick auf die Unschuldsvermutung umstritten)
  • Notwendigkeit von Vollstreckungsverfahren wegen unzureichender Erfüllung von eigenen steuerlichen Zahlungspflichten
  • Verstöße gegen die Meldepflicht nach Paragraf 138 der Abgabenordnung (Anzeigen über die Erwerbstätigkeit) in Form der Unterlassung der Meldung von ausländischen Gesellschaftsbeteiligungen
  • Das Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit großer Auskunftsklausel mit dem Verlagerungsstaat (das ist zum Beispiel bei Indien der Fall)

Tipp: Die Besteuerung ist dann nicht beeinträchtigt, wenn eine lückenlose Prüfung der Gewinnermittlung vom Inland aus in gleicher Art und Weise möglich ist wie bei Steuerpflichtigen mit EDV-gestützter Buchführung im Inland. Die angeforderten Unterlagen müssen unverzüglich zur Verfügung stehen, die angeforderten Auskünfte zeitnah erteilt werden und Datenzugriffsmöglichkeiten in vollem Umfang zur Verfügung stehen.

Der Steuerpflichtige kann die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten im Inland nicht dadurch einschränken, dass er sich auf ausländische Bestimmungen beruft, die diesen entgegenstehen könnten (z. B. datenschutzrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen).

Widerruf der Bewilligung

Liegen die Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht mehr vor, ist sie zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der Buchführung zu verlangen. Insbesondere wenn der Steuerpflichtige nach Bewilligung der Verlagerung seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt und dadurch die Besteuerung beeinträchtigt wird, ist die Bewilligung zu widerrufen.

Der Vollzug der Rückverlagerung ist nachzuweisen. Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung innerhalb einer ihm bestimmten Frist nach Bekanntgabe nicht nach, kann ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden.

Ermessensvorschrift

Über den Antrag des Steuerpflichtigen bzw. die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bewilligung ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden.

Tipp: Unter Hinweis auf den Gesetzeszweck und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen nur gravierende Verstöße gegen die Mitwirkungs- oder Buchführungspflichten gerade im Zusammenhang mit der Vorlage aufbewahrungspflichtiger Unterlagen die Versagung der Bewilligung.