Umsatzsteuerliche Folgen bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen und unlauteren Wettbewerbshandlungen

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem 1. November 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend – das heißt auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten – von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen.

Durch Abmahnungen sollen teure und aufwändige Gerichtsverhandlungen vermieden werden

Bei einer Abmahnung handelt es sich um ein (in der Regel anwaltliches) Schreiben, dass die Aufforderung enthält, ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Handlung in der Zukunft zu unterlassen. Hintergrund ist, dass auf diese Weise teure und aufwändige Gerichtsverhandlungen vermieden werden sollen. Neben einer Reduktion der Kosten ist auch die Entlastung der Gerichte ein weiteres Ziel von Abmahnungen.

Eine Urheberrechtsverletzung kann schnell begehen, wer Dateien – wie Musik, Filme oder Computerspiele – aus dem Internet herunterlädt und/oder diese – zum Beispiel über Tauschbörsen – hochlädt, und dabei die Rechte der Person oder des Unternehmens verletzt, der oder dem die Dateien gehören (dem sog. Rechteinhaber). Folge einer solchen Urheberrechtsverletzung ist häufig eine kostenpflichtige Abmahnung durch denjenigen, dessen Rechte man verletzt hat. Zusätzlich wird zumeist die Abgabe einer so genannten strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verlangt.

Ähnlich verhält es sich, wenn Unternehmen – zum Beispiel Onlinehändler – in unzulässiger Weise werben oder Informationspflichten nicht einhalten. Sie müssen dann damit rechnen, kostenpflichtig gem. § 13 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt zu werden. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob man sich bewusst einen Wettbewerbsvorteil verschaffen will oder aus schlichter Unwissenheit handelt.

Grundsätze der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof hatte kürzlich entschieden, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren seien. Zwischen dem gezahlten Entgelt und der Abmahnleistung bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht sei eine mögliche Ungewissheit einer Zahlung nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vom Leistenden erbrachten Leistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben. Unerheblich sei auch, auf welche nationale zivilrechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch gestützt werde.

In einem früheren Urteil hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet würden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zu qualifizieren seien. Ein nicht steuerbarer Schadensersatz läge nicht vor.

Der Bundesfinanzhof vertritt die Auffassung, dass der abmahnende Unternehmer seinerseits gegenüber dem Abgemahnten eine steuerbare Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erbringe. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, wobei das Entgelt hier im Aufwendungsersatz liege.

Die Leistung besteht letztlich darin, dass der Abmahnende dem Abgemahnten einen Weg weise, den Abmahnenden als Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Dem Abgemahnten werde ein konkreter Vorteil eingeräumt, mit dem für den Abmahnenden unmittelbar ein Zahlungsanspruch verbunden sei.

Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Bundesfinanzministeriums

  • Leistung

Leistungsgegenstand eines abmahnenden Unternehmers gegenüber einem Abgemahnten ist die Abmahnung. Eine Abmahnung ist die Mitteilung des Verletzten an den Rechtsverletzer, dass der Rechtsverletzer durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung einen Urheberrechtsverstoß oder eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen.

Die Leistung des Abmahnenden besteht darin, dass der Abgemahnte mit der Abmahnung nicht nur die Gelegenheit erhält, möglichst kostengünstig Geldansprüche des Abmahnenden zu befriedigen, sondern ihm werden (möglicherweise erstmals) der Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht und die notwendigen Informationen gegeben, um durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung den (nicht auf Geld gerichteten) Unterlassungsanspruch zu erfüllen.

Außerdem wird mit der auf Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gerichteten Abmahnung weder eine Urheberrechtsverletzung, eine unlautere Wettbewerbshandlung noch ein Schaden ausgeglichen, sondern dem Rechtsverletzer aufgrund der Warn-, Streitbeilegungs- und Kostenvermeidungswirkung der Abmahnung ein Vorteil zugewendet. Er kann auf diese Weise einen Prozess vermeiden. Dem Rechtsverletzer wird damit die Möglichkeit gegeben, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden.

Der auf Grund der berechtigten Abmahnung geltend gemachte Schadensersatz ist dagegen als echter Schadensersatz nicht umsatzsteuerbar.

Im Umsatzsteuer-Anwendungserlass heißt es daher nunmehr: Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, und Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren.

  • Zeitpunkt der Leistung

Der Zeitpunkt der sonstigen Leistung bestimmt sich danach, wann die Dienstleistung bewirkt ist. Das ist der Fall, wenn dem Abgemahnten ein wirtschaftlicher Vorteil zugewandt wird.

Zeitpunkt der Leistung ist der Zugang der Abmahnung bei dem Abgemahnten.

Tipp: Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in demjenigen Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde. Bestreitet der Abgemahnte substantiiert die Rechtsverletzung, hat der Abmahnende den Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum, in dem die Abmahnung bestritten wird, zu berichtigen.

  • Bemessungsgrundlage

Der Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden ermittelt sich nach dem Gegenwert für die Abmahnleistung. Im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen bemisst sich der zu zahlende Kostenersatz damit nicht wie der Schadensersatz nach der sog. Lizenzanalogie, sondern nach dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs.

Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen, das heißt auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers (zum Beispiel die Gerichtskosten des richterlichen Gestattungsverfahrens sowie die Kosten für die Auskunftserteilung durch den Internetprovider). In der Abmahnung sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche in Schadensersatz und Aufwendungsersatz aufzuschlüsseln.

Tipp: Sollte entgegen der Regelung im Urheberrechtsgesetz keine Aufschlüsselung erfolgen, ist der Pauschalbetrag insgesamt als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt zu behandeln.

  • Steuersatz

Die Abmahnleistung unterliegt dem allgemeinen Steuersatz.

  • Unberechtigter Steuerausweis

Erfolgt die Zusendung einer Abmahnung an einen potentiellen Rechtsverletzer nicht aufgrund eines berechtigten Anspruchs (unberechtigte Abmahnung) und erteilt der Abmahnende hier über eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, liegt ein unberechtigter Steuerausweis vor. Der Abmahnende schuldet bis zur Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens den ausgewiesenen Steuerbetrag.